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Eine lange Geschichte: Die virtuelle Welt der Zukunft 2036

Vom VJ zur VR – immersive Erlebnisse im Wandel

Die immersive Revolution?Gegründet im hoffnungsvollen Jahr 2000 wird giraffentoast 2018 volljährig. Seitdem hat sich viel verändert, zum Guten aber auch zum Schlechten. Es muss die Frage erlaubt sein: Was, wenn die Welt vielleicht schlimmer als besser wird? Wie sieht die Welt in 18 Jahren aus? Oder ist diese Frage eigentlich obsolet, da die Menschen sich immer weniger in der „Welt“ aufhalten, vielmehr den Großteil ihrer beruflichen wie freien Zeit in einer virtuellen Welt verbringen, allein aus dem Grund, weil diese einfach geiler sein wird als die echte? Um dem Wesen der virtuellen Welt auf die Schliche zu kommen, wagen wir einen kleinen Blick in die ruhmreiche Vergangenheit der Illusion.

Mittendrin und fast dabei

Bild: Schlacht bei Grunwald
Jan Matejko [Public domain], via Wikimedia Commons

Virtuelle Welten, established since 40.000 BPDas Abtauchen in eine virtuelle Welt ist seit jeher ein großes Bedürfnis des Menschen. Von den steinzeitlichen Höhlenmalereien über die Hieroglyphen-Welten in ägyptischen Pyramiden und das Kino der Neuzeit – immer war die räumliche Illusion, genannt „Immersion“, eine große Kunst. Wir haben eine Expertin hierzu befragt.

Peggy Schoenegge ist Kuratorin und Projektmanagerin bei peer to space aus Berlin, ein kuratorisches Label, das seit über 9 Jahren Ausstellungen mit dem Fokus auf digitale Medien organisiert und künstlerische Positionen zeigt, die das aktuelle Zeitgeschehen und das Leben im digitalen Zeitalter reflektieren und darstellen.

„Immersion hat in der Kunst schon immer eine Rolle gespielt.“Peggy Shoenegge

Peggy Schoenegge über Immersion

Die Neugier und das Vergnügen als AntriebDas Vergnügen war und ist eine wichtige Inspiration und Motivation für den Menschen, ein gutes Beispiel ist vielleicht der Wiener Prater. Ein riesiges Areal, allein dem Freizeitvergnügen gewidmet. Seit jeher war der Prater auch ein Experimentierfeld, in dem Neu- und Andersartigkeiten ihren Platz fanden, die es in einer vernünftigen Welt vielleicht nie gegeben hätte. Da gab es die erste (unbeabsichtigte) Ballonfahrt, einen Dampfomnibus, einen Luftschraub-Apparat, also einen der ersten Hubschrauber, und etliche Zirkusexperimente, wie eben ein gigantisches Panorama, das überraschenderweise die Stadt Wien zeigte. Ein riesiger Publikumsmagnet, ein jeder Wiener musste das einmal gesehen haben. Aber warum wollte jeder ein virtuelles Modell der gleichen Stadt sehen, deren wirklichen Anblick er doch schon kannte? Vielleicht um zu schauen, wie genau die Illusion gelingen kann, vielleicht die Suche nach Fehlern in der Illusion? Was sagt die Expertin?

Bild: Oscar Kramer - Zeffiro Ciuffoletti: Das Reich der Habsburger 1848-1918 - Photographien aus der österreichisch-ungarischen Monarchie, Verlag Christian, gemeinfrei

Peggy Schoenegge über die Wahrnehmung
und die Grenzen des virtuellen Raums

Neue Erzählformen der Virtual Reality Neue Techniken bringen seit jeher neue Formen der Erzählung von Geschichten mit und werden dadurch auch erst relevant. Erste Versuche mit digitaler, virtueller Realität scheiterten in der Regel daran, dass alte, zweidimensionale Erzählweisen zu adaptieren versucht wurden. Dafür brauchte man aber keine klobige Brille.

Für die neue virtuelle Welt brauchen wir neue Erzählungen, neue Erzählebenen, um dem Medium mit seinen vielfältigen Möglichkeiten gerecht zu werden – und von ihm zu profitieren. Peggy Schoenegge findet ein gutes Beispiel:

The Swan Collective: Here We Are – A Turing Torture, 2018
Bild: The Swan Collective

Peggy Schoenegge über
neue Narrative in der Virtual Reality

The Swan Collective:
Here We Are – A Turing Torture, 2018

„Durch die Handlung entsteht das Werk.“ Peggy Schoenegge, 2018

In den 1960er Jahren experimentierte die Kunst mit Op-Art. Durch beinahe fast schon wissenschaftliche Experimente mit Licht und Physik wurden phänomenale Illusionen erzeugt. Der Betrachter konnte in diesen Werken versinken und quasi virtuelle Welten betreten. So ist allein schon das bewusste Betrachten eine essenzielle Handlung zur Wahrnehmung in der virtuellen Kunst. Durch den technischen Fortschritt bei Controllern und Interfaces wird der Handlungsspielraum in der VR in naher Zukunft noch einmal ein weiterer, wichtiger Meilenstein in der Geschichte des immersiven Erlebnisses.

Immersion entsteht im Auge des Betrachters
Bild: Typisches Werk im Stil der Op-Art

Peggy Schoenegge über
Handlung und Interaktion

Welcome to the Jungle, we got fun and games In den USA machen Hyper-Reality-Vergnügungsparks wie THE VOID mit immersiven Blockbuster-Erlebnissen wie Star Wars oder Ghostbusters Furore, in Hamburg eröffnet im September 2018 das VRHQ, in dem der Besucher z.B. ein exklusives virtuelles Jazz-Konzert auf dem Elbjazz-Festival erleben kann. Historisch steckt Virtual Reality damit in einer Phase, ähnlich des Umbruchs als der Kino-Film vor rund 100 Jahren den Umzug aus den ambulanten Schaubuden und Panoptiken auf Jahrmärkten in die festen Lichtspielhäuser vollzogen hatte (das war um 1920). Für die klassischen Theater ergab sich in der folgenden Zeit eine ernstzunehmende Konkurrenz durch das Kino; dennoch konnte sich die Bühne bis heute behaupten. Ergeben sich durch Virtual Reality vielleicht auch bald neue Möglichkeiten für das Theater?

Der Diskurs braucht echte Räume

Peggy Schoenegge über
die Rolle des Theaters

The Memories of Borderline
(Schauspielhaus Dortmund)

Bleibt VR ein einsames Vergügnen? Die Frage, die jedes Mal an VR-Experten gestellt wird, lautet: Wann kann ich mit meinen Freunden gemeinsam Virtual Reality erleben? Die Antwort darauf ist ganz einfach: Du tust es bereits. Die Sozialen Netzwerke, wie wir sie heute kennen, sind nichts anderes als virtuelle Räume. Diese soziale Komponente in eine immersive Virtual Reality zu transferieren, die von einer relevanten Nutzerzahl genutzt wird, ist heute nur noch eine Frage von kurzer Zeit. Und genauso, wie wir heute merken, welche gesellschaftlichen Probleme Social Media erzeugen kann, werden in Zukunft ähnliche Fragen auch in der VR auf uns zukommen.

Ich und die anderen: Chancen und Risiken der Social VR
Manche Avatare will man vielleicht gar nicht kennenlernen.

Peggy Schoenegge über
Social VR, Chancen und Risiken

Werden wir in 18 Jahren mehr Zeit in der Virtualiät verbringen als in der realen Welt? Der Autor des Science-Fiction-Romans „Ready Player One”, Ernest Cline, ist sich da ziemlich sicher. Im Jahr 2045 haben die Menschen einschneidenden Rohstoffkrisen und verheerende Umweltkatastrophen hinter sich, was große Armut über die Welt brachte. Unser jugendlicher Held Wade Watts lebt in einem der unzähligen Stacks, einem typisch amerikanischen Trailerpark, wo die Wagen spektakulär übereinander gestapelt mehr wackeln als stehen. Von dort aus macht er sich, wie viele andere, auf die Jagd nach einem Schatz innerhalb des virtuellen Universums OASIS, versteckt von seinem philanthropischen Schöpfer. Der Schatz beinhaltet die Kontrolle über die OASIS, weshalb auch der größte Telekommunikationskonzern der Welt ein unbarmherziges Interesse daran hat. Sollte der Konzern gewinnen, wäre der freie Geist – und auch der freie Zugang – für die meisten Menschen Vergangenheit. Wade Watts‘ Wettrennen ist also nicht zuletzt ein Kampf für das freie Netz, das vielleicht in Zukunft der einzige Ort sein könnte, in dem es sich noch zu leben lohnt und das es zu verteidigen gilt. Erwartet uns diese Zukunft? Peggy Schoenegge sieht das anders:

Sind wir bereit?
Buchtipp: “Ready Player One” von Ernest Cline, erschienen im Fischer-Verlag
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Wir sind bereit.

Peggy Schoenegge über
den Bezug zur Realität

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